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Nice to know oder grenzüberschreitende Wissenschaft?

Nice to know oder grenzüberschreitende Wissenschaft?

Ich bin Sozialanthropologin und betreibe Ethnografie und ethnografische Theorienbildung. Hierbei sind für mich – selbstverständlich – immer auch Arbeiten aus der Philosophie, Soziologie, Geschichte oder der Politikwissenschaft bedeutsam. Für meine Forschung spielen diese Quellen der Inspiration aber gleichsam eine untergeordnete Rolle. Ich eigne mir ein theoretisches Konzept aus der Philosophie in einer sozialanthropologischen Weise an, um etwa meinen analytischen Blick auf mein ethnografisches Material zu schärfen. Forschende aus anderen Fächern werden mit sozialanthropologischen Arbeiten in ähnlicher Weise umgehen. Diese grenzüberschreitenden Aneignungen verbinden uns mit verschiedenen Fächern der Geisteswissenschaften. Und doch bedeuten sie noch keine echte Zusammenarbeit.

Mit dem Workshop “Stadt und Schatten: Interdisziplinäre Erkundungen in Architektur, Kunst und Gesellschaft”, den ich gemeinsam mit der Literaturwissenschaftlerin und Philosophin, Tea Lobo, und der Kunsthistorikerin, Jennifer Rabe, am Walter Benjamin Kolleg der Universität Bern organisiert habe, stellten sich mir neue Fragen der Interdisziplinarität und ihrer Bedeutung für meine eigene Forschung und die Geisteswissenschaften insgesamt. Wie kann eine interdisziplinäre Zusammenarbeit stattfinden, die über das einseitige Anleihen bei anderen uns mehr oder weniger verwandten Fächern hinausgeht? Und was soll (uns) dieser vertiefte Austausch bringen?

Ich bin zunehmend von der politischen Notwendigkeit einer geisteswissenschaftlichen Zusammenarbeit überzeugt und davon, dass wir eine gemeinsame Politik der (Wissens-)Vielfalt brauchen, um unsere unterschiedlichen, im kritischen Denken gründenden Erkenntnisse und Forschungsweisen auch der breiteren Gesellschaft zugänglich zu machen. Versuche konkreter interdisziplinärer Zusammenarbeit können hierbei einen wichtigen Anfang bilden – sofern sie einen fruchtbaren Boden für grenzüberschreitendes Denken und Forschen bereitstellen.

Bei unserem Versuch diente uns die Schattenmetapher – in Anlehnung an Mieke Bals (2009) prozesshaftes Verständnis von Interdisziplinarität – als gemeinsame und gemeinsam weiter auszuarbeitende Kategorie des wissenschaftlichen Denkens über Widersprüchliches und Widerständisches in der Stadt und städtischen Kunst, Politik und Gesellschaft.

Seit Jahrtausenden wird im Westen die Lichtmetapher – im Sinne von Platons Höhlengleichnis – verwendet, um Wissen und Fortschritt anzuzeigen: wir beleuchten, durchleuchten, bringen Licht ins Dunkel, erklären und werden aufgeklärt. In der Politeia, wie Tea Lobo in ihren einführenden philosophischen Überlegungen zum Schatten ausführte, vergleicht Platon in einer metaphorisch-dichterischen Sprache die Idee des Guten mit der Sonne, deren Licht es einem Menschen ermögliche, die Welt um sich herum zu sehen und wahrzunehmen. In seinem Höhlengleichnis stehen die Schatten metaphorisch für die Täuschungen, für die das menschliche Sehen anfällig sei. Menschen ohne philosophische Bildung seien wie Gefangene, die, in einer Höhle sitzend, nur Schatten der Gegenstände, die Unbekannte hinter ihren Rücken tragen, wahrnehmen könnten. Diese Schatten verzerrten die Vorstellung der wahren Grösse und Beschaffenheit der Gegenstände. Nur ein Mensch, dem es durch philosophische Bildung gelinge, aus der Höhle auszubrechen und ins Licht der Sonne zu treten, werde die Welt mittels des Sonnenlichts – und der Idee des Guten – so wahrnehmen können, wie sie wahrhaftig sei.

Platons Höhlengleichnis (Kupferstich), Jan Saenredam, 1604
Platons Höhlengleichnis (Kupferstich), Jan Saenredam, 1604

Im Vergleich zu diesem, durch Platons Lichtmetapher geprägten, westlichen Verständnis des Wissens und Erkennens, wie der Kulturanthropologe Thomas Reinhardt (2012) in einem Beitrag zur Kulturgeschichte des Schattens anmerkt, fristete der Schatten in den Geisteswissenschaften – mit Ausnahme der Kunstgeschichte und Architektur – buchstäblich ein Schattendasein.

Wie Tea Lobo weiter ausführte, wurde Platons Schattenmetapher in der Philosophie aber auch umgedeutet, etwa in der kritischen Theorie der Frankfurter Schule. Adorno umschrieb die gesellschaftliche Bedeutung der Kunst als “Schatten des Widerstands” gegen unterdrückerische Herrschaftsformen und Denkweisen. Schatten widerspiegelten niemals die Realität und verzerrten die Gegenstände, die sie abbilden. Bei der Kunst ginge es aber auch nicht um realistische Abbildungen, sondern darum, die Realität zu kritisieren. Kritik gelinge mittels eines überzeichnenden und verzerrenden Spiegels, der gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten vorgehalten werde. In diesem philosophischen Schattenverständnis werden Schatten zu kritischen Zerrbildern der Gesellschaft und somit auch zu einer Metapher für die Darstellung selbst, und die Art und Weise wie künstlerische Darstellungen Widerstände leisten können.

In ihren einleitenden Ausführungen zum Schatten in der Kunstgeschichte erläuterte Jennifer Rabe, wie seit der frühen Neuzeit die Naturphilosophie und damit einhergehende “revolutionäre” Erkenntnisse in der Mathematik und Medizin zu einem veränderten Umgang mit dem Sehen führten. Gerade in der Kunst wurde das menschliche Sehen nicht mehr nur als täuschungsanfälliges Einfallstor des Teufels, sondern verstärkt auch als Gegenstand und Mittel der Erkenntnis dargestellt. In diesem neuen Verständnis des Sehens verschiebt sich das Verhältnis von Licht und Schatten. Die durch das Licht vermittelten Netzhautbilder dringen als Schatten in das menschliche Denken ein. Das menschliche Denken wird somit nicht mehr wie bei Platon vorrangig metaphorisch, sondern auch konkret körperlich gedacht. Schatten stehen weniger für Täuschungen, sondern vielmehr für die Abwesenheit von Licht, Körper und gesellschaftlicher Ordnung und werden somit auch zu Sehnsuchtsorten der Freiheit.

Meine eigenen einführenden Überlegungen kreisten einerseits um den Schatten als Gegenspieler und Bestandteil des gegenwärtigen positivistischen Natur- und Technikverständnisses, das Jennifer Rabe in seinen naturphilosophischen Anfängen für die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts herausarbeitete. Wie sie und Tea Lobe wies auch ich auf Schatten als widerständische Orte und Praktiken in Gesellschaften hin. Ich näherte mich dem Schatten aber hauptsächlich über das politische und technokratische Regieren einer Bevölkerung und über die Aneignung dieses Regierens durch die Regierten selbst und ihre Widerstände gegen gesellschaftliche Ungleichheiten, die konkrete politische Programme häufig nicht beseitigen, sondern verstärken. In den Schatten, die das politische Regieren und Ausleuchten der Bevölkerung begleiten, lauern somit auch Möglichkeiten für Widerspruch, Kritik und Weigerung seitens der Regierten und Bestrebungen, widerständische Gegenräume zur regierten Bevölkerung zu erschaffen.

Mit unseren disziplinären Einführungen versuchten wir, über die in der sinnlichen Erfahrungswelt fest verankerte Alltagsmetapher des Schattens unserer Zusammenarbeit einen interdisziplinären Boden zu bereiten. Schatten gehen einem Licht voraus und entstehen da, wo bestimmte Orte, Menschen und Gegenstände beleuchtet werden. Schatten weichen einem Licht und gehen so auf andere Orte, Gegenstände und Menschen über. Dieses Zusammenspiel von Licht und Schatten gehört der unmittelbaren menschlichen Erfahrungswelt an. Schatten sind ungenaue und verzerrte Abbilder von Gegenständen. Sie sind kühle und dämmerige Orte. In bestimmten Situationen bieten schattige Orte aber auch Schutz vor Hitze und Geborgenheit, weil Menschen und Gegenstände im Schatten nur unscharf zu erkennen sind. Aufgrund dieser weit verbreiteten sinnlichen Erfahrbarkeit von Schatten (mit jeder Lichtquelle und Abschirmung von Licht) sind Schatten auch wichtige Alltagsmetaphern. Wie bedeutende Einsichten aus der Metapherntheorie nach George Lakoff und Mark Johnson (vgl. Jäckel 2003) nahelegen, werden bei metaphorischen Verweisen abstrakte und komplexe Erfahrungen des alltäglichen Lebens mittels konkreter sinnlicher Erfahrungen dem menschlichen Denken zugänglich gemacht und erklärt. Ihre Bedeutungsfülle eröffnet die Möglichkeit, menschliche Erfahrungen zu überdenken, in neue Sinnzusammenhänge zu stellen und umzugestalten. Diese metaphorische Vielfalt und Kreativität wollten wir für unsere interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Gastwissenschaftler*innen aus Florenz und Lichtenstein entdecken und fruchtbar machen.

Der Kunsthistoriker Fabian Jonietz berichtete aus seiner Forschung zu Reiseberichten aus der frühen Neuzeit von jungen, wohlhabenden Männern aus Nordeuropa über die süditalienische Stadt Florenz. Sein Beitrag gewährte uns Einsichten in die Politik dieser Reiseberichte, indem er aufzeigte, wie die Schilderungen über Florenz immer auch (enttäuschte) Erwartungen der Reisenden wiedergeben, die in fest verankerten kulturellen Vorurteilen über den Süden gründen. Mittels der ernüchternden Berichte über die fremde und angeblich schönste Stadt der Welt können sich die nordeuropäischen Reisenden und ihre Familien und Gesellschaften ihrer eigenen Identität und kulturellen Überlegenheit versichern.

Aus dem Florenz der frühen Neuzeit führte uns der Beitrag von Monika Litscher in die politische Gegenwart der Stadt Zürich. Ihre theoretischen und methodischen Ausführungen zur ethnografischen Stadtforschung untermauerte die Kulturanthropologin mit der Fallstudie einer Bewohnerin und Ladenpächterin aus Zürichs Innenstadt, die aufgrund städtischer Aufwertungsbestrebungen zunehmend um ihre Lebensgrundlage fürchtete. Ihr Beitrag veranschaulichte uns auch die Wichtigkeit der Ethnografie, um abstrakte politisch-ökonomische Prozesse wie die Gentrifizierung am konkreten Alltag der Menschen und an ihren vielfältigen und nicht selten widersprüchlichen Erfahrungen der Aufwertung und Verdrängung festmachen zu können. Die Ethnografie kann somit auch entscheidend zu einer politisch engagierten Stadtforschung beitragen, die sich für die Verdrängten und ihre Anliegen stark macht.

Von der Umgangsweise mit Verdrängung aus der städtischen Öffentlichkeit handelte auch der Beitrag der Philosophin und Kunsthistorikern Hana Gründler zu widerständischen Kunstformen in der Tschechoslowakei der 70er Jahre. Sie brachte uns näher, wie kritische Künstler*innen nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings im Untergrund neue unterschwellige und wenig greifbare politische Kunstformen erprobten. Dabei berührte ihr Beitrag auch weiterführende Fragen nach den Möglichkeiten für widerständische Praktiken, die vor dem Hintergrund staatlicher Gewalt und Unterdrückung mitunter nur noch im Rückzug aus der Öffentlichkeit ihren (un-)sichtbaren Ausdruck finden.

Die Beiträge unserer Gastwissenschaftler*innen veranschaulichten Möglichkeiten einer schattenmetaphorischen Stadtforschung, zeigten uns aber auch die Grenzen eines interdisziplinären Unterfangens auf, das sich einer überaus vieldeutigen und elastischen konzeptuellen (Alltags-)Metapher wie dem Schatten bediente. Was als eine Stärke gewertet werden kann, brachte auch Schwierigkeiten mit sich. Uns fehlte teilwiese ein konkretes und verbindliches Schattenkonzept zur Orientierung, um die Ausarbeitung und Verfeinerung des Konzepts “Schatten” gezielter gemeinsam zu verfolgen. Darüber hinaus war für uns auch die “Stadt” keine selbsterklärende Gegebenheit, sondern wie der Schatten ein Konzept, das es in und durch unsere Forschungen zu hinterfragen galt. Unser Bestreben, Stadt und Schatten für sich und in ihren konzeptuellen und alltäglichen, künstlerischen und politischen Verschränkungen zu erfragen, war sehr umfangreich und erforderte von uns und unseren Gästen inhaltliche Gewichtungen, die sich – selbstverständlich – an eigenen Forschungsinteressen orientierten und mitunter die gemeinsame konzeptuelle Arbeit etwas in den Hintergrund rückten.

In unseren Forschungsarbeiten zeigte sich aber auch ein gemeinsames kritisches Denken über städtische Machtverhältnisse, die uns in verschiedenen ästhetischen, künstlerischen und alltäglichen Widerständen als Weigerung, Rückzug und Zerrbild begegneten. Für mich lassen sich die Beiträge und Diskussionen während des Workshops – gerade auch in Anlehnung an Monika Litschers Beitrag – in theoretisch-konzeptuellen Überlegungen zur Stadt als eines politischen (Möglichkeits-)Raums durchaus verbinden. Wir beschäftigten uns einerseits mit Politiken der Stadt “von oben”, die beleuchten, regulieren und verwalten, verdrängen, wegweisen, aufwerten und gewisse Bilder der Stadt bewirtschaften und andere in den Schatten drängen. Andererseits untersuchten und diskutierten wir auch aktivistisch-künstlerische Politiken in der Stadt “von unten”, die sich für soziale und politische Teilhabe, Gerechtigkeit und Umweltschutz einsetzen und dabei – mehr oder weniger im und aus dem Schatten heraus – Widerstände und Gegenbilder der Stadt erproben und bewahren.

In diesen Überlegungen zeigt sich mir rückblickend auch, dass ein fruchtbares interdisziplinäres Zusammenarbeiten und Denken mit und über Konzepte wie Stadt, Schatten, Widerstand und Politik längerfristige Unterfangen sind, die mit einem eineinhalbtägigen Workshop erst beginnen und ganz bestimmt nicht zu Ende gebracht werden können.

Die unterschiedlichen Beiträge zu Städten und ihren Schattenseiten können durchaus und für sich genommen als bereichernd angesehen werden, doch stellt sich uns aus unseren unterschiedlichen wissenschaftlichen Blickwinkeln immer auch die Frage, woraus diese Bereicherung besteht und inwieweit sie über eine “‘Nice-to-know’-Interdisziplinarität” (Löffler 2010: 164-166) hinausgeht. Das Nebeneinanderstellen unterschiedlicher Forschungsarbeiten ist bestimmt interessant, macht aber noch lange keine “gute” interdisziplinäre Zusammenarbeit aus. Es braucht ein gemeinsames theoretisch-konzeptuelles Gerüst und die Bereitschaft, wie Mieke Bal ausführt, sich immer wieder aufs Neue über das stets vorläufige und unvollständige Verständnis der gemeinsamen Konzepte zu verständigen.

“While groping to define, provisionally and partly, what a particular concept may mean, we gain insight into what it can do. It is in the groping that the valuable work lies […]. The groping is a collective endeavour. Even those concepts that are tenuously established, suspended between questioning and certainty, hovering between ordinary word and theoretical tool, constitute the backbone of the interdisciplinary study of culture […]. Not because they mean the same thing for everyone, but because they do not” (Bal 2009: 17).

Uns an ein gemeinsames konzeptuelles/ metaphorisches Denken über Stadt und Schatten heranzutasten, war angesichts unserer vielfältigen fachlichen Hintergründe und der thematisch breit gestreuten Beiträge alles andere als einfach. Darüber hinaus unterschied sich teilweise auch unser Verständnis darüber, was Konzepte und Metaphern sind und wie sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglichen und gestalten sollen. Aus meiner Sicht haben wir es versäumt, uns und unsere Gäste vorgängig auf Bals prozesshaftes Verständnis von Interdisziplinarität – zumindest vorläufig – einzuschwören, um uns damit auf unserer Entdeckungsreise in die schattenmetaphorische Stadtforschung besser orientieren und Nice-to-know-Oberflächlichkeiten ausweichen zu können.

Die Aneignung eines gemeinsamen Denkens und damit das Unterfangen, uns – immer und immer wieder – über dieses Denken zu verständigen, gegenseitige Vorurteile auszuräumen, Unterschiede zu erkennen und auszuhalten, ist uns in “Stadt und Schatten” manchmal mehr und manchmal weniger gelungen. Gescheitert sind wir teilweise an der Bereitschaft, unsere konkrete interdisziplinäre Praxis und das sie tragende Verständnis von Interdisziplinarität selbst zum Gegenstand unserer Zusammenarbeit zu machen, um eben dieses Verständnis und unsere Praxis zu hinterfragen und somit auch weiter voranbringen zu können. Ich bin überzeugt, dass nur auf dem Boden einer selbstreflexiven Interdisziplinarität eine lebendige grenzüberschreitende Geisteswissenschaft wachsen und gedeihen und für die beteiligten Forschenden und ihre Arbeiten, aber auch für unsere Gesellschaft insgesamt bereichernder werden und bleiben kann.

Für mehr mutige Versuche, wissenschaftliche Grenzen zu überschreiten, spricht nicht nur die Tatsache, dass wir voneinander lernen können, sondern auch die Dringlichkeit, nicht zu verlernen, uns einander immer wieder verständlich zu machen. Wir müssen uns als Geisteswissenschaftler*innen verbünden! Ohne die Bereitschaft unsere Erkenntnisse und Forschungsweisen in manchmal aufwändiger und mühseliger Kleinstarbeit zu vermitteln und in die fächerübergreifende Zusammenarbeit der Geisteswissenschaften einzubringen, werden wir als Geisteswissenschaftler*innen auf lange Sicht weder der zunehmend von Big Data geprägten Wissenschaft entgegentreten, noch uns und unser vielfältiges Wissen in die Gestaltung der Gesellschaft und Politik verstärkt einbringen können.

In diesem Sinne beruht eine engagierte Wissenschaft, die sich in den Dienst einer gerechten (Welt-)Gesellschaft stellt, auf der Überschreitung von wissenschaftlichen Grenzen und darüber hinaus von Grenzen zwischen den Geisteswissenschaften und gesellschaftlichen Bereichen wie der staatlichen und internationalen Politik. Dabei ist es für die Geisteswissenschaften auch an der Zeit, über das rein “kritische Denken” und Hinterfragen gesellschaftlicher Machtverhältnisse hinauszugehen und in Zusammenarbeit mit unseren widerständischen Forschungsgegenständen und aktivistischen Forschungspartner*innen echte politische Alternativen aufzuzeigen. Unser Versuch, über die konzeptuellen Metaphern des Schattens eine grenzüberschreitende Stadtforschung voranzutreiben, wirft auch die hoffnungsvolle Frage auf, ob ein alltagsmetaphorisches Denken womöglich besser als unsere disziplinären Fachsprachen zu einer engagierten Wissenschaft in Politik und Gesellschaft beitragen kann. Dies wird letztendlich nur unsere selbstreflexive und kreative Praxis geisteswissenschaftlicher Interdisziplinarität zeigen können.

Literatur

Bal, Mieke 2009: Working with concepts. European Journal of English Studies 13 (1): 13-23.

Jäckel, Olaf 2003: Wie Metaphern Wissen schaffen. Die kognitive Metapherntheorie und ihre Anwendung in Modell-Analysen der Diskursbereiche Geistestätigkeit, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion. Hamburg: Verlag Dr. Kovač.

Löffler, Winfried 2010: Vom Schlechten des Guten: Gibt es schlechte Interdisziplinarität? In: Jungert, Michael, Elsa Romfeld, Thomas Sukopp und Uwe Voigt (hrsg.): Interdisziplinarität: Theorie, Praxis, Probleme. Darmstadt: WBG. 257-172.

Reinhardt, Thomas 2012: Der dunkle Doppelgänger. Medialisierungen des Schattens und die Lesbarkeit der Welt. In: Jäger, Ludwig, Gisela Fehrmann und Meike Adam (hrsg.): Medienbewegungen. Praktiken der Bezugnahme. 261-283.

Vorträge am Workshop “Stadt und Schatten”, 20-21 Mai 2019, Universität Bern

Gründler, Hana: Un/Sichtbarkeiten. Stadt und Raum in der tschechoslowakischen Kunst, Philosophie und Literatur, 1960-1980.

Jonietz, Fabian: Trübnisse. Negativ-Erfahrungen der vormodernen Stadt.

Litscher, Monika: Was soll und kann ethnografische, kulturanalytische Stadtforschung? Eine Auslegeordnung.

Lobo, Tea: Stadt und Schatten aus philosophischer Sicht.

Rabe, Jennifer: Stadt und Schatten aus kunsthistorischer Sicht.

Schild, Pascale: Schattenmetaphern und das politische Regieren der Stadt. Eine sozialanthropologische Sichtweise.

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